Die Tourenwagen-Landschaft in Deutschland bekommt im nächsten Jahr Zuwachs. Nachdem das Comeback der Deutschen Tourenwagen Challenge bereits im September angekündigt wurde, hat die Serie im Rahmen eines Präsentationstages am Salzburgring ihre Wiedergeburt gefeiert.
Erinnern Sie sich noch an die seligen Zeiten der BERU Top 10? Breitensport vom Feinsten, Markenpokale noch und nöcher, eine Plattform für den aufstrebenden Jungstar wie auch den gestandenen Gentleman-Fahrer. Mittendrin und lange DAS Highlight der Eventplattform: die Deutsche Tourenwagen Challenge. Allgemein waren die 1990er-Jahre wohl die goldene Ära des Tourenwagensports. Erst verzückte die DTM mit ihren immer weiter hochgezüchteten Gruppe-A-Rennern die Massen, ehe die Klasse 1 den langsamen, aber sicheren Tod einläutete. Dann kamen die Supertourenwagen. Zweiliter-Saugmotoren und unter dem eigentlich gar nicht so spektakulären Außenkleid Renntechnik vom Allerfeinsten.
Ja, und dann eben auch noch die DTC mit ihren Autos auf Basis der Gruppe N. Bezahlbare Tourenwagen ohne viel Schnickschnack und nicht nur ein großes Feld mit teilweise um die 50 Autos, sondern auch die ganze Bandbreite an Fahrer-Biografien – vom Ex-DTM-Fahrer über Tuner bis hin zum Autohaus-Besitzer.
Das Aussterben der Mitte
Geschenkt wurde sich auf der Strecke freilich nichts, sodass auch die Zuschauer Spaß an den Rennen mit den nur gut 200 PS leistenden Rennern hatten, die zudem völlig unverspoilert daherkamen. Ganz bodenständiger Motorsport zum Anfassen eben.
Doch wie mit allen erfolgreichen Geschichten: Irgendwann wurde die Sache zu groß. Die Hersteller kamen, die FIA adaptierte die DTC-Regularien, machte aus ihr die Superproduction-Klasse, und so wurde die Kategorie auch international wichtig. Die Kostenspirale ging wie schon so oft gesehen durch die Decke.
Spätestens mit Einführung der Super2000-Regeln zum Jahr 2004, garniert mit dem neuen Namen „DMSB Produktionswagen Meisterschaft“, war die Mär vom bezahlbaren Tourenwagensport in Deutschland auserzählt. Hielten danach wenigstens einige Markenpokale noch Möglichkeiten bereit, kostengünstig Tür an Tür zu kämpfen, starben auch diese nach und nach aus.
In den vergangenen Jahren suchte man also vergebens die Mitte zwischen Kartsport respektive Breitensport und der bereits sehr professionellen TCR. Doch genug der Melancholie und des Schwelgens in der Vergangenheit. Die Zukunft steht vor der Tür. Mehr noch: Sie hat sogar schon einen Fuß drin.
Die von der Motor Presse Stuttgart initiierte und modern interpretierte Deutsche Tourenwagen Challenge stellte sich in der vergangenen Woche am Salzburgring einem interessierten Publikum von rund 50 Gästen vor, darunter auch 20 Teams.
2022 soll die Serie starten, und an ebenjener Stätte, an der in der Vergangenheit bereits epische DTC-Schlachten geschlagen wurden, drehten auch fünf mögliche Fahrzeuge für die „neue“ DTC ihre Runden. Die ganz groben Eckdaten des technischen Reglements lauten: mindestens vier Sitzplätze, maximal 1650 cm³ Hubraum, maximal 250 PS Leistung und ein Leistungsgewicht von mindestens fünf kg pro PS.
Viele Möglichkeiten
Zugelassen sind nur Großserienfahrzeuge sowie Front- oder Heckantrieb. Das Reglement erlaubt aber in guter DTC-Tradition viele Freiheiten. So präsentierte das Team Niedertscheider Motorsport einen Peugeot 208, den man derzeit für die DTC entwickelt. Die aktuelle Generation des Kleinwagens hat in der Serie maximal 130 PS. Weil aber Marken- und Konzernmotoren erlaubt sind, bedient man sich des Motors aus dem Peugeot 308 GTi, der in der Serie 272 PS leistet und somit für die DTC sogar etwas abgerüstet werden muss.
Dass Razoon Racing den allradgetrieben Toyota GR Yaris im Gepäck hatte, sorgte vor Ort für viele Fragezeichen. Doch auch hier gilt: Auf Zweiradantrieb umbauen, und schon ist der kleine Japaner bereit für die DTC.
Der Grundsatz der DTC-Neuinterpretation lautet dabei: Alles, was in der Serie funktioniert, ist willkommen. Wie etwa beim Ford Fiesta ST Edition, den Walter Wolf (Wolf Racing) höchstpersönlich nach Österreich fuhr. Oder beim Hyundai i20 N, den Engstler Motorsport zum Salzburgring schaffte. Letzterer ist zwar heuer schon beim 24h-Rennen am Nürburgring mitgefahren (Klasse SP2T), hat jedoch noch Serien-Getriebe, -Steuergerät und -Turbo verbaut.
Cup-Autos willkommen
Dem Geist der DTC entspricht aber auch der Renault Clio R.S. IV Cup von Schiessling Racing, der das Quintett der gezeigten Autos abschließt. Denn Renngetriebe sind in der DTC ebenfalls erlaubt. Über spezielle Vorgaben zu Leistungskurven und Drehmoment sollen die Performance-Unterschiede ausgeglichen werden. Außerdem ist die Getriebeübersetzung für Renngetriebe vorgegeben, um den Testaufwand so gering wie möglich zu halten.
Neben dem Clio kommen natürlich auch weitere ehemalige Markenpokal-Fahrzeuge für die DTC in Frage. Es gibt zwar eine Altersbegrenzung (das Modell darf seit maximal zehn Jahren ausgelaufen sein), doch auch Fahrzeuge zum Beispiel der Mini Challenge oder des Suzuki Swift Cup könnten entsprechend angepasst werden. Trotz all der Möglichkeiten und Fahrzeugvielfalt soll ein Kostenrahmen entstehen, der maximal die Hälfte der TCR darstellt. Dabei sieht man sich ausdrücklich nicht als Konkurrenz, sondern als Unterbau der weltweiten Tourenwagen-Klasse.
„Ich bin überzeugt davon, dass es die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit ist, mit der neuen DTC eine kostengünstige Einsteiger-Serie zu etablieren“, sagt Franz Engstler, der sein jahrzehntelanges Know-how im Motorsport bei den Organisatoren beratend einfließen ließ. „Schön, dass uns mit den ADAC Racing Weekends dafür eine so gute Plattform geboten wird“, nennt er außerdem den Rahmen der neuen Serie.
Die ADAC Racing Weekends sind seit diesem Jahr die neue zweite Liga im ADAC-Rundstreckensport – nach dem Paket des ADAC GT Masters. Die DTC plant, bei vier bis fünf Veranstaltungen dabei zu sein und insgesamt sechs Wochenenden mit je zwei Sprintrennen auszutragen. Ein Termin fürs Premierenjahr steht derweil schon fest: Der Saisonauftakt findet am Wochenende des 10. bis 12. Juni am Salzburgring statt.
„Treffen Nerv der Zeit“
Die Motor Presse Stuttgart führt als Promoter seit fünf Jahren erfolgreich die Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft (IDM) und macht mit der DTC den Schritt in den Automobilsport. Serienmanager ist sowohl in der IDM wie nun auch der DTC Normann Broy, der sich durchaus positiv überrascht vom Feedback auf den Präsentationstag zeigte: „Dieser starke Auftritt der DTC bereits bei der ersten Präsentation unterstreicht, wie gut die Idee einer neuen Breitensportserie für Tourenwagen ankommt“, so Broy. Und weiter: „Mit der neuen DTC treffen wir den Nerv der Zeit im Automobilsport.“
Tatsächlich schwimmt man mit einer neuen Rennwagen-Klasse mit reinen Verbrennungsmotoren eher gegen den – diktierten – automobilen Trend. Doch in Sachen Nachhaltigkeit macht man sich durchaus Gedanken. So ist die Einführung eines Einheits-Kraftstoffs auf eFuel-Basis geplant.
Mit diesem durchdachten Konzept, das gleichermaßen offen wie eng gestrickt ist und an dem viele erfahrene Leute mitgearbeitet haben, scheint man die besten Voraussetzungen geschaffen zu haben, um die großen Zeiten der DTC wiederaufleben zu lassen.
Fotos: Dino Eisele